Arco Anfang Juli 2024
Nach einem Jahr Kletter-Zwangspause wegen der kaputten Schulter wieder in Arco. Leider nur eine Woche, aber schon irgendwie zuhause, bei Francesca und Allessandro auf ihrem Agriturismo. Abends dann Essen und trinken im www.leservite.com um die Ecke. Dort gibt es sehr leckeres slow-food, also regionale Produkte mit modern interpretierten regionalen Gerichten oder ganz neuen kreativen Ideen. Wir kommen jetzt schon einige Jahre dahin und jedes mal werden die Speisen immer noch besser. Und Allesandro (nicht der vom Agriturismo) ist ein herausragender Sommelier, seine Tochter Alisa mixt geniale Aperitivi und Cocktails. Die Liebe zum Beruf, zur Region und zu den Produkten ist bei allen im Team, bei jedem Gang zu spüren. Da lohnt es sich ein wenig Geld zu sparen um sich diesen Genuss gönnen zu können.
Geklettert sind wir auch. Gewitter sind im Sommer seit jeher in Arco und Umgebung keine Seltenheit. Die Unberechenbarkeit, Heftigkeit und Häufigkeit hat aber auch hier über die Jahre zugenommen. So mussten wir am ersten Tag, trotz intensiver Studien der Wetterberichte und Regenradare wegen unvorhergesehenen Regens aus einem kleinen aber feinen Klettergarten in Cavedine flüchten. Am zweiten Tag mussten wir den Fels erst langsam trocken klettern. Am dritten Tag waren wir an der Muro del Asino. Mein persönlicher Kletter-Selbstbewusstseins-Aufbau-hotspot. Vergleichsweise lange Sportkletter-Routen mit bis zu 27 Metern Seillänge, perfekt abgesichert. Und vor allem leicht zu klettern, aber viel schwerer bewertet. So schaffe ich eine 5c locker, da es maximal eine Boulderstelle gibt, die an den Schwierigkeitsgrad herankommt. Andererseits, weil oft beklettert, sind vermeintlich leichte Stellen so speckig und glatt, das Reibungskletterei zur großen Herausforderung wird. Für mein Selbstbewusstsein und meine Psyche ist Muro del Asino Gold wert.
So mental gestärkt, und wegen der Kürze des Urlaubs, wollten wir es dann am nächsten Tag wagen an den Sonnenplatten (Parete Zebrata) eine Mehrseillängen-Route zu klettern. In den vergangenen Jahren hatten wir schon die Routen “Via del 46° Parallelo”, “Mimose”, “Gino Gianna” und “Via Trento” geklettert. Und wenngleich die letzte Mehrseillängenroute wegen der Schulter zwei Jahre zurücklag, dachte ich mir, das werde ich schon packen – wenn’s ganz blöd läuft muss Sandra eben alle Seillängen vorsteigen. Der Plan war “Via Trento” zu versuchen und wenn wir/ich uns nicht gut fühlen, in die leichteste Mehrseillängenroute der Wand, die “Via del 46° Parallelo” zu wechseln, da sich beide Routen den ersten Standplatz teilen. Die “Trento” ist zum Teil knifflige Platten- und Reibungskletterei bis 5b, die “Parallelo” eher leichte, klassische Wandkletterei bis 4a bewertet. Bei beiden Routen sind die Stände bombensicher gebohrt, mit zum Teil 3 oder gar 4 Klebehaken. Die Hakenabstände sind allerdings teilweise größer als sechs Meter, was im Falle eines Sturzes schon ein wenig scary ist.
Übermut tut selten gut: An diesem Mittwoch morgen (wir sind schon extra früher aufgestanden) war es im Zustieg schon 27 Grad warm. In der gesamten Wand gibt es keinen Moment Schatten. Schon am Einstieg hatte ich das Gefühl, mir kocht das Gehirn. Sandra steigt die erste Seillänge der “Trento” vor, am ersten Stand, obwohl nur Nachsteiger, fühle ich mich so gestresst, dass ich Sandra bitte, dass wir von da an die “Parallelo” weiterklettern. Ich bin von da an von mir selbst genervt, dass ich so ein Weichei bin, aber es soll sich noch bewahrheiten, dass es die richtige Entscheidung ist. Ich steige die nächste Seillänge vor und Sandra und ich klettern die Route überschlagend weiter zu Ende. Eigentlich hätten wir jeden zweiten Stand Trinken müssen. Haben wir aber nicht. Nachdem ich die vierte Seillänge vorgestiegen bin, sagt Sandra am Stand, sie wolle die letzten beiden Seillängen verbinden, das ginge schneller und wir könnten oben dann was trinken. Obwohl unser Seil lang genug gewesen wäre, merkte Sandra in der Nähe des üblichen Standplatzes, dass die Seilreibung zu groß wird und sie doch besser noch einen Stand macht und ich die letzte Seillänge dann vorsteige. Im Nachstieg spüre ich den Wassermangel extrem. Fast dehydriert, klettere ich unkonzentriert, mal hier und dort neben der Route, als auf einmal Sandra laut “Stein” ruft. Ohne ihr Zutun hatte sich ein größerer Stein gelöst und raste die Wand herunter. Ihr Ruf hat mich gerettet. Soviel Geistesgegenwart war trotz Dehydrierung noch, dass ich den Kopf nach unten und den Körper so nah wie möglich an die Wand gebracht hatte, so dass der Stein den Helm hinten nur streifte und in den Rucksack einschlug. Das Adrenalin hat mich dann schnell und sicher zum Standplatz klettern lassen. Dort haben Sandra und ich in kürzester Zeit, viel zu spät, eine 1,5 Literflasche Wasser gelehrt. die letzte Seillänge habe ich dann noch etwas zittrig vorgestiegen. Der Abstieg war dann extrem mühsam wegen der Hitze. Obwohl klettertechnisch die einfachste Route in der ganzen Wand, war es bei dieser Hitze keine gute Idee und für mich eine physische und psychische eine größere Herausforderung als ich jemals vermutet hätte. Am Ausgangspunkt war ich so platt wie selten.
Die nächsten beiden Tage suchten wir wieder Klettergärten auf, in denen wenigstens die Sichernden im Schatten standen. La Cosina in Cavedine und Belvedere in Nago/Torbole. Auffallend war da wieder die hohe Diskrepanz in den Schwierigkeitsbewertungen. Im Vergleich ist eine 5c bei Muro del Asino extrem einfach zu einer 5b in Cavedine oder einer 5b in Belvedere. Aber vermutlich, fällt das guten Kletterern, zu denen ich wahrlich nicht gehöre, gar nicht auf.
Um mein Kletterniveau zu verbessern, war der Urlaub zu kurz. Trotzdem war es sehr schön, kulinarisch ein Highlight und weckt die Vorfreude aufs nächste Jahr. Und die Hoffnung, dass der alternde Körper noch möglichst lange das Klettern wenigstens auf diesem Niveau erlaubt.
Pentecoste in Sardegna
Arrampicare, mare e frutti di mare
Über Pfingsten auf Sardinien ein wenig Sportklettern und Schlemmen. Und natürlich anbaden im Meer.
Das Meer war noch ein wenig kalt. (Ein eher gutes Zeichen in Zeiten der rapide gesteigerten Erderwärmung) Aber am Strand ließ es sich gut aushalten.
War jut jewesen!
Ostern im Vinschgau
Endlich wieder Skitouren im Vinschgau! Wohnen in Prad, Bergführer René Kuppelwieser als Nachbar – ein idealer Ausgangspunkt für Skitouren im Martelltal, Ortlergebiet, Val Müstair, Matscher-, Langtauferer Tal oder Rojen. Dieses Mal gab es überraschenderweise überall Schnee. Eher zu viel als zu wenig.
Die erste Woche begann gut: Während der erste Tag an der Kalfanwand noch vom Wind verblasen war, zeigte der zweite die Laaser Orgelspitze (3305m) von seiner besten Seite. Die 1420 Höhenmeter im Aufstieg und der Abfahrt waren wir alleine. Den ganzen Tag Sonne und zumeist leichter Firn in der Abfahrt, was will man mehr?
Leider kam dann das schlechte Wetter und Gipfeltouren waren wegen Lawinengefahr kaum noch möglich. Deshalb ein paar Schlechtwetter- und Pistentouren in Rojen und Trafoi. Dazu noch ein Tag mit einer kleinen Einführung in das Skitourengehen für einen Freund der Familie und ein wenig Pistenskifahren mit Schwägerin und Nichte in Sulden.
Am Ostersamstag dann Personalwechsel in der Ferienwohnung. Schwägerin und Nichte müssen zurück nach Berlin und unsere Freundin Alix von Melle besucht uns. Alix’ Ehemann Luis Stitzinger ist letztes Jahr am Kandchendzönga ums Leben gekommen. Der Skitourenurlaub mit uns sollte eine kleine Auszeit, konnte vielleicht eine kleine Ablenkung aus der tiefen Trauer und Neuorientierung im Leben geben.
Aber das blöde Wetter war zu Beginn auch kein Stimmungsaufheller: Äußerer Nockenkopf von Rojen war bei den Verhältnissen nur ohne Gipfelhang machbar, die Regenjacke musste wasserdicht sein. Pistenskitour in Trafoi startete im Regen und endete im Regen. Immerhin gab es oben, ausserhalb des Pistengebiets in lawinensicherem Gelände ein paar Schwünge in schwerem Neuschnee. Im Langtauferer Tal hatten wir wenigstens ein Gipfelkreuz in Sicht, als wir den Masebener Hausberg besteigen konnten.
Dann wurde das Wetter besser, die Lawinensituation aber noch heikel. Nachdem wir im Schneegestöber in Rojen die Tour Richtung Grionplotten abgebrochen hatten und stattdessen bei besser werdendem Wetter durch den Wald Richtung Elferspitze aufstiegen, hatten wir (wiederum wegen Lawinengefahr) den Gipfel auslassend einige wenige Pulverschwünge im Wechsel mit Plattenpulver zu fahren.
Die nächsten drei Tage hatten wir uns die Dienste Von René gesichert. Der Arme fragte gleich ob wir nicht um eine Woche verlängern könnten, denn die Verhältnisse würden sicher erst am Wochenende besser werden. Konnten wir aber nicht. Also planen was geht. Eigentlich war der Plan, früh auf die Suldenspitze von da auf Cevedale und Zufallspitze und dort über einen steilen Hang ins Martelltall. Eine ambitionierte, weil auch sehr lange, Unternehmung die wir am Abend vorher verschieben mussten. Die steilen Nordhängen, die wir begehen bzw. befahren wollten waren noch zu lawinengefährlich. Also Planänderung: Cima Marmotta. Wir Alle hatten die Cima Marmotta (3331m) schon früher ein- oder mehrmals bestiegen. Auch ohne Bergführer. Aber mit René ist’s immer besser. Eine Abfahrtsvariante über den Hohenferner brachte uns (nur teilweise und wenig verblasen) unverspurten Pulver bis zur Marteller Hütte. Das war schon mal sehr fein!
Der Plan mit der Cevedale Überschreitung sollte auch am nächsten Tag scheitern. Der nette Mensch, der uns morgens um 6.30 Uhr hätte mit dem Skidoo zum Ausgangspunkt der Tour bringen wollte erkrankte in der Nacht. Ohne diesen Service wäre das Projekt aber in der sicheren Zeit, bevor die tageszeitliche Erwärmung das lebensgefährlich macht, nicht zu schaffen gewesen. Also erneut Planänderung: Veneziaspitze. Waren Sandra und ich auch schon mal und ohne Bergführer. Aber mit René ist’s immer besser!
Allerdings waren unvorstellbar viele Menschen auf die selbe Idee gekommen. Ich habe bis zu 50 Menschen in der Steilstufe gezählt. Nicht ganz ungefährlich, zwei Tage nach Neuschnee und einem bekannten Altschneeproblem. Bei René rattert der Alternativengenerator. Er trifft einen Freund, der abfährt während wir noch im Anstieg sind, fragt ob der sein Auto vom Talschluss an das Gasthaus am Zuffrittsee umparken kann, fragt uns ob wir Lust auf Abenteuer hätten und schlägt uns vor kurzfristig Ziel und Endpunkt der Tour zu ändern. Also neues Ziel Hintere Schranspitze (3356m). Von den Menschenmassen auf dem Schranferner links weg über die Scharte in die absolute Einsamkeit. Steil auf den Gipfel belohnt mit einem traumhaften Blick in die Brenta, die Königspitze, Zufallspitze… ein Traum. Der Gipfelhang zum Gramsenferner ist steil. Ohne René hätte ich mich nicht getraut bei der Lawinensituation in einen so steilen Hang einzufahren. Aber er testet die Lage, wir befahren den Hang natürlich einzeln, er ist safe. Und der Schnee ist wirklich gut. Teilweise ein wenig windgepresst aber fein zu fahren. Der Gramsenferner, ein noch wirklich großer Gletscher mit zwei recht anspruchsvollen Steilstufen gehört uns ganz alleine. Vier Menschen im unverspurtem Glück. Bis kurz vor der Waldgrenze. Ein kurzer Firnübergang in sulzigen, teilweise grundlosen Sumpfschnee. Aber die letzten 300hm Quälerei bis zu See waren die 1200hm pures Glück zuvor allemal wert. Die Überschreitung der Hinteren Schranspitze ist eine anspruchsvolle Unternehmung. Danke an René für die Idee und die sichere Umsetzung. Wer das wiederholen möchte sollte sich auf jeden Fall einem einheimischen Bergführer anvertrauen.
Am letzten Tag war die Nullgradgrenze auf 4000m prognostiziert. Die Sahrahitze sollte ihren Höhepunkt erreichen. Also früh starten und nichts allzu Langes, zumal tags drauf ja Abreise mit langer Fahrt anstand. Eigentlich nichts Spektatkuläres. Auf die Vertainen im Martelltal. Circa 900hm Aufstieg mit der Hoffnung auf Firn. Während wir im Aufstieg wieder einsam auf unseren Hängen waren, konnten wir die “Ameisenstrassen” Richtung Zufallspitze, Marmotta, Venezia etc. auf der anderen Talseite sehen. Abfahrtsmäßig waren wir am letzten Tag im Rausch. Die letzten 3 Tage des Urlaubs waren genial!
Ratschings und Val di Sole
In Ratschings in Südtirol ist die Infrastruktur nahezu perfekt um auch alleine relativ sicher unterwegs zu sein. Im Netz sind die Skitouren im Tal ausführlich und gut beschrieben, ebenso auf großen Tafeln mit Fotos an den Ausgangspunkten. Dort gibt es auch kleine Stationen um das LVS-Gerät zu testen. Vieles ist mit dem Talbus erreichbar, leider nicht die schönsten Touren am Talschluss. Die kleine und die große Kreuzspitze lohnen auf jeden Fall.
Anschließend an die Aufwärmrunde in Ratschings waren wir im Val die Sole rund um den Passo Tonale im Trentino. Auch wenn die Schneeverhältnisse nicht einfach waren: Bergführer Florian von www.globoalpin.com hat uns jeden Tag eine landschaftlich sehr schöne, in Aufstieg und Abfahrt anspruchsvolle Tour gefunden. Ideal um meine neuen Skitourenschuhe auf Herz und Nieren zu testen.
Für die Jahreszeit war es deutlich zu warm. Südseitig frühestens ab 1700hm Schnee. Dafür gab es Firn, teilweise auch schon Sulzschnee. Keine leichte Aufgabe für den Bergführer und dennoch hat er jeden Tag etwas Spannendes und Schönes für uns gefunden.
Zwischen den Feiertagen im Vinschgau
Wie es so ist: Das vergangene Jahr ist, was den Bergsport betrifft, wegen der Schulterverletzung fast vollständig ausgefallen. Jetzt war nach erfolgreicher Physiotherapie die Vorfreude groß auf die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr. Doch prompt zwei Tage vor Abreise ins Vinschgau hat mich eine ordentliche Bronchitis erwischt. Egal, die kostbaren Tage bei Hans in Schleis (der Gasthof im Vinschgau mit dem besten Essen und der besten Weinbegleitung) mussten ausgenutzt werden. Zumal die Schneelage im Dreiländereck aussergewöhnlich gut war für die Zeit.
Wenn auch sehr langsam im Aufstieg, und durch viel Husten unterbrochen konnten wir einige einfache und schöne Gipfel besteigen: Zum Beispiel den Piz Terza in der Schweiz, den Glockhauser im Langtauferer Tal und den Chavalatsch von Stilfs, einen Grenzberg zwischen Südtirol und der Schweiz.
Wir hatten fast alle Sorten Schnee: Hart und eisig, Pulverschnee, Bruchharsch (allerdings noch gut fahrbar) und Firn. Wenn allerdings jetzt die Klimawandelleugner jetzt wieder tönen, es sei doch kalt und es gäbe doch Eis und Schnee – das Jahr 2023 ist das wärmste Jahr in Südtirol gewesen seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Trotz der für uns schönen Schneeauflage zu Weihnachten, war es doch seit 3 Jahren das erste mal , in dem es zwischen den Feiteragen möglich war wieder einmal ohne Steinkontakt Tourenski zu fahren. Zudem war es zwischendurch so warm, der Schnee so schnell verfestigt, dass einige Skitouren, die klassische Frühjahrsskitouren sind, jetzt schon möglich waren. So haben Freunde von uns am 28. Dezember den Piz Sesvenna vom Tal aus begehen können und wir waren zur Geburtstagsüberraschungsskitour am 30.12. für unseren Freund und Bergführer René (www.rene-alpin.it) auf die Portlespitze im Matscher Tal unterwegs. Das ist aussergewöhnlich, war schön und gleichzeitig ein wenig beängstigend.
Der wichtigste Test für mich war allerdings der Schultertest. Am 2. Januar konnten wir mit René zum Eisklettern in die Plimaschlucht im Martelltal. Der ultimative Test für die rekonvaleszente Schulter. Die Nervosität vorher war groß, der Vorsatz klar: Nur nichts erzwingen. Folglich auch nur einfache Seillängen im Toprope. Aber die Schulter hält! Was für eine Erleichterung.
Skitourensaison eröffnet
Kurztrip in die Schweiz. Erstaunlich und erfreulich viel Schnee bis in Tal am ersten Adventswochenende in Engelberg. Frischer Pulver, im flachen fast schon zuviel für Schwünge und leider wenig Sicht. Trotzdem schöner Auftakt, der die Vorfreude auf die Touren zwischen den Feiertagen erhöht.
Wieder echter Fels
Nach über einem Jahr Pause endlich wieder echten Fels beim Klettern zu spüren war schon schön. Eine Woche Ende Oktober in San Vito Lo Capo auf Sizilien, das bedeutet vormittags einige der unzähligen Sportkletterrouten an der Steilküste zu versuchen, nachmittags am Sandstrand und Meer auszuruhen und abends unglaublich lecker zu essen und trinken.
Dennoch, die Aufregung bei mir war groß. Wird die Schulter halten? Komme ich an die alte Leistungsgrenze wieder ran? War die Entscheidung richtig auf die OP zu verzichten?
Die gute Nachricht zuerst: Die Schulter hat gehalten, zumindest was Kraft und Stabilität bei physisch anstrengenden Zügen betrifft. Nach langen, für mich anspruchsvollen Routen habe ich die Schulter schon gespürt, allerdings auch die gesunde, denn ich klettere momentan schon noch ein wenig verkrampft.
Das liegt natürlich am Kopf. Bei größeren Hakenabständen, echtem Fels, wo auch einmal ein Griff oder Tritt ausbrechen kann, klettert eine leicht höhere Sturzgefahr mit. Deshalb hat bei mir an mancher Schlüsselstelle, anderthalb Meter über der letzten Sicherung und noch 2 Meter bis zum nächsten Haken die Sturzangst zu einigen Blockaden geführt. Die Sorge bei einem Sturz mit der Schulter an die Wand zu knallen war im Vorstieg lästig präsent. Im Nachstieg, in dem ja so gut wie nichts passieren kann, war klettertechnisch das alte Niveau weitgehend wieder erreicht.
Jetzt käme es darauf an, weiter zu trainieren und Kletterroutine zurückzugewinnen. Eine Woche war gut und schön, aber natürlich viel zu wenig. Leider sind echter trockener Fels weit weg. Dann müssen Teufelsberg und Berliner Hallen erst mal wieder reichen. Jetzt beginnt bald die Skitourensaison, auf die ich mich sehr freue. Die Skihochtourensaison im vergangenen Jahr ist wegen der blöden Schulter ja auch schon ausgefallen. Ich habe viel nachzuholen.
Kopfsache?
Die schulter zwickt, manchmal gibt es Ruheschmerz, manchmal machen unbedachte Bewegungen schreckhaft…
Der Kopf rotiert: Werde ich die Schulter wieder beim Klettern und Skibergsteigen normal belasten können? Mein (sehr guter) Arzt kann mir keine Garantie geben, dass schwerere Touren problemlos wieder möglich sein werden. Er ist über meinen physischen Status aber immer wieder positiv überrascht. Angesichts der auf dem MRT sichtbaren Schwere der Verletzungen in der Schulter ist der Umstand, dass ich vergleichsweise wenig Schmerzen hatte und habe, meine Beweglichkeit und mein Muskelstatus für mein Alter mehr als aussergewöhnlich. Da mein Arzt selbst Skitouren geht, bin ich ihm auch ein wenig Experiment.
Da mein Hang zur Hypochondrie aber leider recht stark ausgeprägt ist, führt jede tagesformabhängige Unpässlichkeit in der Schulter zu großen Grübeleien und Zweifeln. Doch besser nochmal operieren? Oder wird die Schulter auch so halten? Meine (sehr gute) Physiotherapeutin beruhigt mich. Ja, die Schulter ist nicht mehr so wie früher, aber durch die gute Muskulatur vergleichsweise stabil. Der manchmal auftretende Schmerz und das Zwicken kann unterschiedliche Gründe haben, z.B. durch Trainigsüberlastung, leichte Fehlbelastung oder Ähnliches.
Beim Klettern lautet eine Binsenwahrheit: Der Kopf ist der wichtigste Muskel. Will sagen: psychische Stärke entscheidet sehr stark mit, ob man in der Lage ist an seiner Leistungsgrenze zu klettern. Was auf jeden Fall besser werden muss ist meine Fusstechnik um Schultern und Arme zu entlasten. Denn wie schon vor vielen Jahren Bergführer Hubert Niederwolfsgruber am zweiten Standplatz der Dibonakante an der großen Zinne zu mir sagte: “Hör auf zu turnen, fang an zu klettern, sonst schaffst du es nie bis ganz oben”. Hab ich dann versucht und geschafft.
Nächster Schritt: Herbstferien am richtigen Fels klettern. Vorfreude und Aufregung steigen.
Es wird immer besser, es gibt Hoffnung
Die Physiotherapie hilft. Jeden Tag die gezeigten Beweglichkeitsübungen machen und nach 5 Monaten endlich Muskelaufbautraining, nährt die Zuversicht. Während gleichzeitig Schmerzen abnehmen, Kraft und Beweglichkeit wieder zunehmen steht der Wiedereinstieg in leichtes Klettertraining an.
Der Kopf vertraut der Schulter noch nicht ganz, bei den ersten Versuchen. Die Angst klettert im Hintergrund auch bei leichten Routen mit. Es geht aber schon wieder so gut, dass die Sicherheit wieder zurückkehrt Pläne zu machen, für die Skitouren- und Klettersaison im nächsten Jahr.
Blöde Schulter verhindert große Pläne
Durch den Befund sind die österlichen und sommerlichen Bergsportpläne alle über den Haufen geworfen worden. Eigentlich sollte im Vinschgau fleißig trainiert werden um anschließend in Chamonix 10 Tage lang epische Skihochtouren zu machen. Chamonix haben wir gleich storniert, im Vinschgau habe ich mit fixierter rechter Schulter ein wenig Skikurs für meine Nichte gemacht und mit Sandra ein paar Pistenskitouren in Trafoi und Sulden. Blöd wenn man sich nicht richtig bewegen darf.
Die Kletterpläne für den Sommer in Arco und den Dolomiten haben wir auch gleich abgesagt. Stattdessen war jetzt fleissig Reha und Physio angesagt. Und Kurzurlaube auf Samos und Sardinien waren die kleinen Auszeiten im späten Frühjahr und Frühsommer.
Wandern statt Klettern. Wandern war ja nie so meins. Aber ich muss sagen, insbesondere das Wandern auf Samos (zu Gast bei und mit unseren Freunden Eva und Horst) war sehr schön.
Abruzzen mit Schulterluxation
Im März 2023 habe ich es endlich mit meiner Lieblingsbergschule in die Abruzzen zum Skitourengehen geschafft. Schöne Firnabfahrten, leckeres Essen und ein Abschluss-Fischessen am Meer, das war der Plan. Fast wäre er ganz aufgegangen. Es fing auch gut an. Die Gruppe war angenehm. Der erste Tag hat uns eine schöne rasante Firnabfahrt beschert. Das Abendessen war lecker, die Vorfreude auf den nächsten Tag groß. Auf einer stetig steiler werdenden breiten Rinne 1600 Höhenmeter hinauf zum Monte Amaro. Oben am Gipfel tobte der Wind, so stark, dass wir zum Abfellen in das Metallbiwak direkt unterhalb des Gipfel flüchteten. Allerdings war es da drin nicht nur dunkel sondern auch an mehren Stellen vereist. Eine dieser Blankeisplatten erwischte mich unvorbereitet. Die Ski noch in der Hand knallte ich mit der rechten Schulter auf den Boden ohne jede Chance den Sturz abzufangen. Der Schmerz der ausgekugelten Schulter war unerträglich. Ein Rettungshubschauber hätte am Gipfel aufgrund des Föhnsturms nichts ausrichten können. Die Bergrettung zu Fuß hätte viele Stunden gebraucht. Also mussten wir selbst klarkommen. Mühsam halfen mir zwei Ärzte (ein Anästhesist und ein Urologe, sic!) aus der Gruppe in eine Sitzposition, gaben mir Schmerzmittel und renkten mir die Schulter wieder ein. Sofort ließ der Schmerz nach. Mein Rucksackinhalt wurde auf mehreren Schultern verteilt und mit notdürftig versorgter Schulter fuhr ich problemlos die gesamte Rinne auf meinen eigenen Ski ab. Was wäre das für eine schöne, rauschhafte Firnabfahrt gewesen, hätte ich zwei gesunde Schultern gehabt.
Da ich nach dem Einrenken kaum Schmerzen hatte, hoffte ich am nächsten, spätestens am übernächsten Tag wieder auf Skitour gehen zu können. Aber die Ärzte aus der Gruppe erklärten mir, dass ohne MRT und Besuch eines Orthopäden das grob fahrlässig wäre. Also ging ich, während die anderen auf Skitour gingen, mit dem rechten Arm im Dreieckstuch spazieren. Wenigstens das Fischessen am Meer zu Abschluss war auch für mich noch ein richtiges Highlight.
Zurück in Berlin war ich sofort beim MRT und Schulterspezialisten. Der wunderte sich, angesichts der Bilder, dass ich nahezu schmerzfrei war. Offenbar war in meiner Schulter doch Einiges schwerer verletzt. Aufgrund meines Alters, meiner vergleichsweise guten Physis und der relativen Schmerzfreiheit entschieden wir uns gegen eine schnelle Operation und zur konservativen Therapie mit Physio. Ziel: wieder halbwegs an meiner alten Leistungsgrenze (die war ja nicht so hoch) klettern zu können und vor allem die nächste Skitourensaison wieder voll und ganz begehen zu können.