Texte

Eine kleine, willkürliche Auswahl von Texten, an denen ich mitgeschrieben habe oder sonst irgendwie interessant finde…

Aktuelles

Ende Juni 2024

Seit langem habe ich mal wieder einen Text unterschrieben. Er kommt mindestens 2 Jahre zu spät, er ist in Manchem ungenau und widersprüchlich, drückt sich um wichtige Fragen, aber es ist dennoch einer der besseren und wichtigeren Texte zum aktuellen Zustand der und den Aufgaben für die Partei “die Linke”, der ich aus sentimentalen Gründen noch verbunden bin.

https://progressive-linke.org/wp-content/uploads/2024/07/Netzwerk-Progressive-Linke-Brief-an-den-PV-250624-A.pdf

02. März 2024

Mein lieber Freund Horst Kahrs hat auf Einladung der “Progressiven Linken” einen Vortrag gehalten ihn nachträglich auf vielfachen Wunsch verschriftlicht. Wir teilen nicht nur das Leiden am Zustand der Linken, ich teile auch seine Argumente und Thesen zur notwendigen Erneuerung fortschrittlicher Politik:

http://www.horstkahrs.de/wp-content/uploads/2024/03/2025-02-29-Thesen-Erneuerung-fortschrittlicher-Politik.pdf

01. März 2024

Leseempfehlung. Eine beeindruckende Rede von Oleg Orlov vor Gericht, die den Charakter des Putin-Regimes mutig und treffend zusammenfasst, wie ich finde:

https://zeitschrift-osteuropa.de/blog/ich-bedaure-und-bereue-nichts/

19.Oktober 2023

Der Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7.10.23 hat nicht nur mich unter Schock gesetzt. Ich bin nicht mehr in einer politischen Funktion, die mich zu Erklärungen zwingt, will aber nicht verhehlen, dass die Reaktionen aus der Partei, in der ich noch Mitglied bin, für mein Dafürhalten zuweilen verstörend, zu kurz gesprungen oder gar falsch sind. Zwei Texte haben mich in besonderer Weise berührt und kommen dem am Nächsten, was ich denke: Zum einen der Text von meinem alten Freund und Genossen Robert Misik, zum anderen der Text von israelischen Intellektuellen und Aktivist*innen

https://zackzack.at/2023/10/16/israel-falsche-wahrheiten-und-richtige-falschheiten

Meiner Nachfolgerin in der Funktion der Fraktionsvorsitzenden der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus möchte ich aber ausdrücklich für ihre heutige Rede im Abgeordnetenhaus von Berlin danken. Sehr klar und eindeutig!

https://www.linksfraktion.berlin/parlament/plenarreden/detail/es-unsere-pflicht-fuer-ein-friedliches-und-menschliches-miteinander-vor-allem-aber-fuer-den-schutz-von-juedischem-leben-einzustehen/

26.Februar 2023

Aus gegebenem Anlass der Link zu einer Website mit einer interessanten Textsammlung.

7.September 2022

Horst Kahrs, Udo Wolf (Ireon/Berlin; 07.09.2022)


Der “heiße Herbst” und die “Montagsdemonstrationen”


Linkspopulismus trifft Rechtspopulismus- Es stirbt die Aufklärung und eine Partei spielt mit Selbstmord aus Angst vor dem Tod.


Die Linke in Deutschland (und nicht nur die parteipolitisch organisierte) befindet sich in einer tiefen Krise. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, die damit einhergehenden ökonomischen und sozialen Krisenprozesse, die parallel immer dramatisch werdende Klimakrise mit ihren Handlungserfordernissen sowie die rasant fortschreitende gesellschaftliche Fragmentierung in zunehmend sich abschließende soziokulturelle Milieus hat die Partei Die Linke in einer Phase der inhaltlichen Stagnation und Strategielosigkeit erwischt. Zu jedem dieser Themen existieren in der Partei diametral entgegengesetzte Positionen und Meinungen. Auf Parteitagen scheint es relativ klare Mehrhheiten zu geben, in der Bundestgasfraktion sieht das schon ganz anders aus. Doch der Schein trügt. Der Verweis auf vermeintlich klare Beschlusslagen der Bundesparteitage zu Themen, bei denen beispielsweise Sevim Dagdelen, Klaus Ernst oder Sahra Wagenknecht ihre zum Teil rechtsoffenen Positionen medial verbreiten ist nicht nur hilflos, er greift auch zu kurz.
Nach der dramatischen Niederlage bei den Bundestagswahlen stand die Frage nach inhaltlicher und strategischer Klärung, Erneuerung und Perspektive. Auf dem Erfurter Parteitag 2022 reichte die Kraft lediglich, die inhaltlichen Zumutungen des „Wagenknecht-Lagers“ in der Friedens- und Außenpolitik weitgehend abzuwehren. Eine eigene Annäherung an eine substantiierte und glaubwürdige Erneuerung der Friedens- und außenpolitischen Positionen blieb aus. Die notwendige weiterführende Diskussion wurde aus Angst vor der Zerreissprobe vom Spielplan genommen. Zum Thema notwendige sozial-ökologische Transformation angesichts des sich immer rasanter entwickelnden Klimawandels blieb wenig mehr im Gedächtnis als die bekannten abstrakten Floskeln, mehr aber das Gerede vom „Markenkern soziale Gerechtigkeit“ (Trademark?). Frei nach Goethe „denn eben wo Begriffe fehlen, da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein…“ (Goethe, Faust . Der Tragödie erster Teil, 1808) wird die Diskussion um Analyse, Programm und Strategie vermieden, weil es absehbar zu eben dieser Zerreißprobe in der Partei kommen könnte, würde mensch in der Partei nach Klärung suchen. „Wenn Sahra geht haben wir keine Bundestagsfraktion mehr“, sagen die Einen. Assistiert von all denjenigen an der „Basis“, die sagen „wenn Ihr Sahra rausschmeisst gehen wir auch“, begibt sich die in sich auch ziemlich heterogene „Bewegungslinke“ und das in sich noch heterogener gewordene „Reformer-Lager“ murrend und schimpfend in die babylonische Gefangenschaft des „Hufeisens“ 2.0 in der Bundestagsfraktion. Dabei fleißig verdrängend, dass die Partei währenddessen weiterhin Mitglieder nach beiden Seiten verliert: „Putin-Versteher“ treten aus, und die Freund*innen der „skurrilen Minderheiten“ ebenso.
Die Suche nach Ursachen für die Wahlniederlage und die Stagnation unter der Fünf-Prozenthürde bei Umfragen unterblieb. Es ist wie eine Schockstarre. Selbst ein Austausch über möglich Fragestellungen dazu, die einen Prozess in Gang hätte setzen können, über Erneuerung, Strategie und Politik wurde mit Verweis, dass angesichts anstehender Landtags- Kommunal- und Europawahlen nicht die richtige Zeit wäre, auf unbestimmte Zeit verschoben. Im Übrigen ein Standard-Argument zur Debattenverweigerung, dass seit dem Göttinger Parteitag immer wieder angeführt wurde. Tatsächlich scheinen wir uns jedoch als Partei nicht die Fähigkeit erarbeitet zu haben, innerparteiliche Debatten führen.
Was will die Linke? Wohin soll die Reise gehen? Wen repräsentiert sie? Wer repräsentiert sie? Die Kakophonie der letzten Jahre, die regelmässig nach öffentlichem Streit in Formelkompromissen und Floskeln mündete, deren Halbwertszeit wiederum der Lebenszeit einer Stubenfliege entsprach, ist offensichtlich kein Erfolgsmodell. Die Positionen von „Fridays for Future“ und Klaus Ernst in der Energiepolitik sind augenscheinlich miteinander inkompatibel. Ebenso wie die Positionen zur

Flüchtlingspolitik von Sahra Wagenknecht und der „Seebrücke“. Ob es das Gerede von „skurrilen Minderheiten“, „Gender-Wahn“, „Haupt- und Nebenwiderspruch“ oder „Markenkernen“ ist, solange die nachweislosen Behauptungen „die Linke braucht’s“ und ,nur Bewegungslinke, Reformer und Wagenknecht-Gefolgschaft zusammen schaffen es über 5%‘ Ausgangspunkt und Korridor für die Debatte sind, ändert sich substantiell nix. Ein dermaßen überstrecktes Spagat macht im Unterbau bewegungslos und lässt maximal Gezappel mit den Händen zu. Mal ehrlich: Wer ausser der Partei selbst, wegen Finanzen und so, braucht eigentlich eine solche Bundestagsfraktion? Würde eine Bundestagsgruppe, die aber zumindest gemeinsame Grundüberzeugungen und einen gemeinsamen Plan hätte, derzeit nicht mehr Sinn machen? Auch und gerade mit Blick auf die nächsten Bundestagswahlen?
Auch nach dem Erfurter Parteitag hat sich in der Sache so gut wie nichts geändert. Bundestagsabgeordnete sagen Sachen, die Parteivorsitzenden sagen, dass sei aber nicht Beschlusslage, und tun so als wäre damit irgendwas geklärt. Interessiert in der richtigen Welt Wenige. Zumal die Beschlusslagen in vielen Fällen schon Formelkompromisse zwischen eigentlich inkompatiblen Strömungspositionen sind.
Deshalb, in Ermangelung einer seriösen Aufarbeitung der vergangenen Fehler und einer Entwicklung einer eigenen politischen Idee, verlegt sich die Partei auf das Herbeireden und Propagieren eines „Heißen Herbstes“ und wählt obendrein auch noch das Mittel der (historisch besetzten und politisch mehrfach missbrauchten) Montagsdemonstrationen. Ohne eine in sich konsistente Idee über die Forderung nach einer Übergewinnsteuer hinaus, wie eine vernünftige sozialpolitisch und ökologisch vernünftige (darüberhinaus auch bezahlbare und umsetzbare) Strategie zur Bekämpfung der Energiekrise und ihrer sozialen und ökologischen Folgen aussehen soll, ist das nur Politikersatz. Und obendrein in mehrerer Hinsicht kreuzgefährlich.
Damit hier kein Missverständnis aufkommt. Demonstrationen, Protest, ziviler Ungehorsam sind wichtige politische Mittel. Sie dienen, wenn es gut läuft, der Aufklärung über Missstände und helfen bei der Durchsetzung politischer Forderungen. Soziale Bewegungen lassen sich aber in den seltensten Fällen von Parteien gründen. Parteien haben auch eine ganz andere Funktion als Bewegungen, weswegen auch regelmäßig real existierende Bewegungen darüber diskutieren und sich dagegen wehren, sich von Parteien vereinnahmen zu lassen. In der Geschichte der Arbeiterbewegung, wie auch der „Neuen Linken“ gibt es eine ausführliche und interessante Debatte um das Verhältnis von Partei und Bewegung. Dieser Hinweis an dieser Stelle sollte genügen, um zu verdeutlichen, dass Partei und Bewegung jedenfalls unterschiedliche Dinge sind. Im besten Falle können sie sich gegenseitig unterstützen, befruchten und helfen.
Warum konnte die Partei es nicht erwarten, dass die sozialen Gruppen, Initiativen, Gewerkschaften sich über einen möglichen „heißen Herbst“, einen gemeinsamen, abgestimmten Forderungskatalog und die Aktionsformen einigen und dann unterstützen? Warum musste die Partei, im Sommerinterview durch Martin Schirdewan, als wäre sie die „Stärkste der Parteien“ (vgl. die Internationale, dritte Strophe), eine gönnerhafte Einladung zum „heißen Herbst“ aussprechen, wohl wissend, dass Querfront, Rechtspopulisten und Neonazis genau auch auf einen solchen heißen Herbst orientieren?
Warum musste Sören Pellmann in Leipzig ausgerechnet den Montag und den Begriff der Montagsdemonstraitionen okkupieren? Wohl wissend, dass es historisch mittlerweile in mehrfacher Hinsicht nicht nur Geschmäckle hat sondern auch perspektivisch gefährlich ist. Die Aktionsform der friedlichen Revolution von 1989 ist in den letzten Jahren mehrfach von Rechtspopulisten und Neonazis gekapert worden.
Warum haben sich Bundestagsabgeordnete der Linken und Bezirksverbände an der „Montags- Demonstration“ in Berlin Mitte vor der Grünen- Bundesgeschäftsstelle beteiligt? Sind die Grünen, die sich zusammen mit der SPD gegen die FDP in der Ampel für eine Übergewinnsteuer eingesetzt haben, jetzt der Hauptfeind?

Was ist der aufklärerische Effekt dieser Aktionen? Welche politische Idee steckt dahinter? Die Vermutung liegt nahe, dass die Partei die Simulation von Protestbewegung als Rettungsversuch nach innen und aussen gegen die drohende politische Bedeutungslosigkeit startet.
Das ist fatal. Die inhaltliche Unentschiedenheit lässt sich nicht durch Aktionismus nach außen kaschieren.
Die großartigen „unteilbar“-Demonstrationen in den vergangenen Jahren, mit klugen Aufrufen in denen nicht nur „gegen“ sondern auch „für“ etwas auf die Strasse gegangen wurde, zählten mehrere zehntausend Teilnehmer*innen. Sie waren ein ermutigendes Zeichen und gaben Hoffnung auch für progressive parlamentarische Mehrheiten. Die Partei Die Linke hat es allerdings nicht geschafft, diese wirkliche gesellschaftliche Bewegung für sich überzeugend in Wählerinnen-Stimmen umzusetzen. Obwohl Die Linke bei jeder „unteilbar“-Demonstration mit aufgerufen und stark mobilisiert hat, war für viele die demonstrative Gegenposition des Wagenknecht-Lagers abschreckend. Als zudem die Abstimmung zur Evakuierung der Ortskräfte aus Afghanistan die Botschaft aussendete, der innerparteiliche Burgfrieden, die eigene Hybris ist wichtiger als Menschenleben und Menschenrechte, entschieden sich nicht wenige für das „kleinere Übel“ Grüne oder SPD bei den Wahlen. (Die Differenzen zwischen BT-Wahlen, Abgeordnetenhaus- Wahlen und Kommunalwahlen in Berlin am selben Tag, zeigen dass die Wähler*innen sehr genau nach Funktion in und für die Gesellschaft bei der Stimmabgabe entscheiden).
Auch wenn „uns“, der Partei die Linke die soziale Massenbewegung bei der Wahl zum Bundestag wenig genutzt hat, war sie gleichwohl wichtig und bleibt es auch. Die Partei sollte eben nur nicht glauben, dass die Bewegung und Aktionismus die Partei retten könnten.
Was ist nur aus dem guten alten „strategischen Dreieck“ der PDS unter Lothar Bisky geworden? Politik einer Partei zu entwickeln zwischen Protest, Gestaltungsanspruch und demokratisch- sozialistischen Alternativen über die bestehenden Verhältnisse hinaus, dass war ja mal gedacht als eine dynamische Veranstaltung. Eben angelehnt an die Dialektik Hegels und Marx‘. Es ging nie um ein Geo-Dreieck zum Ausmessen von „political correctness“ oder dem Lafontaineschen Holzlineal der „roten Haltelinien“. Es ging darum, in sich ständig verändernden gesellschaftlichen Situationen das gesamte Instrumentarium linker Politik zu nutzen, zu überprüfen und der Situation angepasst anzuwenden. Und natürliche auch möglichst alle Handlungssphären adäquat zu bespielen. Das Außerparlamentarische hat verschiedene Handlungsräume, auch, aber nicht nur die Straße. Die Parlamente sind weit mehr als nur „Tribüne des Klassenkampfes“. Aber selbstverständlich funktioniert das (nicht statisch verstandene) „stratetegische Dreieck“ in der Anwendung aber eigentlich nur vernünftig, wenn Haltung und Ziel im Grundsatz relativ klar sind. Also eine möglichst gemeinsame Vorstellung von Gleichheit, Freiheit und Solidarität, dem Gehalt von demokratischem Sozialismus existiert.
Die „Montagsdemonstrationen“ sind aber auch noch aus anderen Gründen problematisch. Autosuggestion und das Feiern der vermeintlichen Beseitigung der Bedrohung, die erst durch den eigenen Fehler entstanden sind, gehören dazu. 5000 Menschen in Leipzig, 1000 Menschen in Berlin, ein paar hundert in Frankurt an der Oder und hie und da auf der linken Seite und 3000 in Leipzig auf der rechten Seite sieht nach einem klaren Punktsieg aus. Mal abgesehen davon, dass das nicht annähernd an die Größenordnung der „unteilbar-Demos“ der letzten Jahre heranreicht: Die 5000 in Leipzig hätte es vermutlich nicht gegeben, wenn es aus Angst vor der geplanten (und vorher absehbaren) Vereinnahmung durch Nazis und Querfront eine Partei-Unterstützungs-Mobilisierung aus anderen ostdeutschen Bundesländern und von Antifa-Initiativen gegeben hätte. Jule Nagel hat nach der Demo, wie einige andere auch, via Twitter die Einschätzung geäußert , dass die Aktion wohl ohne die Antifa- Mobilisierung ein Desaster geworden wäre. Diese Einschätzung ist schwer von der Hand zu weisen. Sich jetzt dafür zu feiern, dass die Linke mehr mobilisiert hat als die Rechte ist einigermaßen verdummend. Aus einer „Montagsdemonstration“ zum heißen Herbst ist dann letztlich eine große Antifa-Mobilisierung geworden, die notwendig wurde, weil man aus (nennen wir es mal) Ungeschicklichkeit selbst die Nazis ermuntert hat, einen Querfront-Kaperversuch zu starten?

Jetzt auch noch anzukündigen, dass man das jeden Montag in Leipzig fortsetzen möchte, ist ein wenig verrückt. Man muss kein Prophet sein, dass über die Wochen die Teilnehmer*innen-Zahlen sinken werden. Auf beiden Seiten, weil der öffentliche Hype dazu nicht zu halten sein wird, die Leute Demo-müde werden, Gregor Gysi nicht jeden Montag kommen wird undsoweiterundsofort. Am Ende werden dort gleichviel Nazis, Linke und Querfront-Schwurbler sein. Das ist bitter. Zumal es möglicherweise demobilisierend wirkt, wenn denn tatsächlich so etwas wie reale soziale Bewegung im Herbst entstehen sollte.
Die Linke mäandert auch in der Logik des Protestes in Form von „Montagsdemonstrationen“ am Rande von fake news und überkommenen Feindbildern. Die Energiekrise gibt es, und es gibt sie nicht weil die Ampel böse oder dumm ist, es gibt sie, weil Putin die Ukraine überfallen hat, weil er Revanchist ist, weil er die europäische Ordnung verändern, zerstören, den russischen Einfluss erhöhen will und dafür gemeinsame Sache mit Nationalisten, Faschisten und Anti-Demokraten in europäischen Staaten macht. All das muss mit Entschiedenheit zurückgewiesen werden. Es ist gut, dass auf den Krieg nicht mit einem Bundeswehreinsatz reagiert wird, sondern mit Sanktionen (über die man im Einzelnen streiten kann). Aber frühere Bundesregierungen (und die Linke hatte da keine Einwände) haben die Bundesrepublik von russischen Rohstoffen abhängig gemacht. Wir wissen jetzt, das war falsch, demokratische Staaten in Europa sind erpressbar geworden. Dagegen muss ein klares Stoppsignal gesetzt werden. Die Energiekrise gibt es nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa und in vielen Ländern mehr. Die sozialen Folgen sind in anderen Weltregionen noch gravierender als hier. Hunger, Flucht, Migration, der Verlust von Freiheits- und die Verletzung von Menschenrechten gehen damit einher. Nationalismus, Deutschland zuerst egal ob in dem Farben von FDP, CDU, AfD oder Lafontaine und Wagenknecht bringt hier, wie auch in der Klimakrise, keine Lösung. Es bräuchte eine neue Qualität europäischer Kooperation, es bräuchte (wie schon in der Pandemie) ein offene Diskussion über Resilienz verletzlicher offener Gesellschaften. Dazu gehört ein umfassenderes Programm der öffentlichen Daseinsvorsorge und Nachhaltigkeit, dass weit über die Frage von Notstandsprogrammen hinausgeht. Und selbstverständlich zeigen diese Krisenprozesse nun kulminiert, dass eine starke demokratische Gesellschaft die Grundversorgung zu erschwinglichen Bedingungen sicherstellen muss. Aber die Debatte muss selbstverständlich mit der Debatte um sozial-ökologische Transformation verbunden sein. Wir werden nicht umhinkommen, die qualitative Seite der Produktion, den Ressourcenverbrauch und die Konsumgewohnheiten in den reichen Gesellschaften des Nordens und in den Schwellenländern neu und radikaler zu diskutieren.
Die Entlastungspakete sind Krisenreaktionspakete. An vielen Stellen halbherzig, fehlerhaft, zu kurz greifend. Aber es gibt zweifellos Anknüpfungspunkte für Politik.
Wäre es nicht klüger, darüber nachzudenken wo für Linke die positiven Anknüpfungspunkte im „Entlastungspaket“ der Bundesregierung liegen? Ist es nicht so, dass die „Zufallsgewinnabgabe“ der Bundesregierung Ausdruck der Bereitschaft von SPD und Grünen ist, eine „Übergewinnsteuer“ gegen die FDP (wenn auch mit semantischen und Konstruktions-Tricks und -Fehlern) durchzusetzen? Ist die „Strompreisbremse“ nicht eigentlich auch ein „linkes“ Projekt, dessen Ausgestaltung so begleitet und gegen die FDP durchgekämpft werden muss, damit sie die ökologische Transformation und die Energiewende nicht torpediert? In fast jedem Punkt des „Entlastungspaketes“ steckt eigentlich eine Aufforderung an die Linke so konkret wie möglich Verbesserungsvorschläge, die sich auch finanziell in den Haushalten von Bund, Länder und Kommunen darstellen lassen, zu formulieren. Damit ließe sich vielleicht überzeugen, in Parlamenten, auf Straßen und Plätzen. Darüber ins Gespräch zu kommen, mit zivilgesellschaftlichen Akteuren, Initiativen und Gewerkschaften. Das wäre Politik die zuerst definiert wofür sie ist, bevor sie in Not gerät zu erklären, was ihren Protest von dem der Rechten unterscheidet.
Sollte aber die Ankündigungspolitik des „heißen Herbstes“ mit dem Mittel der „Montagsdemonstration“ der Fokus der bleiben, wird auf mittlere Sicht die Unterscheidung zwischen Links- und Rechtspopulismus auf der Erscheinungsebene immer schwieriger werden.
Noch schlimmer, wenn durch die Duldung von Putin-Verstehern, Schwurblern und Querfront- Freunden in der Linken, mit der Wahl zumindest fragwürdiger Symbolik bei der Auswahl der

Aktionsformen die unsägliche „Totalitarismus-Theorie“ befördert wird, ist das für die Linke Selbstmord aus Angst vor dem Tod. Diese Linke braucht`s nicht. Es bräuchte eine Linke, die darüber nachdenkt, diskutiert, entscheidet und entsprechend handelt. Vielleicht ist es dafür noch nicht zu spät.

4.Juni 2022

Wen es auch immer interessiert.

Einige persönliche Bemerkungen und Hinweise vor dem Bundesparteitag in Erfurt 2022

Auf dem Erfurter Parteitag werde ich nicht als Delegierter vertreten sein. Der Bezirksverband Pankow hat das Glück jüngere und weniger erschöpfte Mitglieder zu haben, die diese Aufgabe übernehmen wollen. Dennoch will ich gerne, denjenigen die es interessiert, ein paar Gedanken mit auf den Weg geben, was aus meiner Sicht auf diesem Parteitag wichtig wäre.
Ich habe mit einigen anderen noch relativ kurz vor dem Rücktritt von Susanne Hennig-Wellsow eine Text geschrieben, in der Hoffnung, es möge die Erneuerungsbemühungen von Susanne und einer Minderheit im derzeitigen Parteivorstand unterstützen. Hier kann er nachgelesen werden: https://derlinkeratschlag.de/debatte_08.html
Ich finde den Text immer noch gut, die inhaltliche und strategische Herausforderung hinreichend beschrieben. Auch wenn die Bedingungen für den ersten Schritt seitdem nicht besser wurden. Zudem kann ich den Text von Horst Kahrs und Klaus Lederer https://www.blätter.de/ausgabe/2022/juni/überzeugung-statt-empörung
nur empfehlen. Ich teile den Inhalt uneingeschränkt und verstehe ihn außerdem als das theoretisch und inhaltlich am klügsten abgeleitete Gegenmodell zum Sozialdemokratismus von Wagenknecht und Lafontaine sowie dem „Formelkompromismuss“ der letzten Jahre. Der Aufruf für eine populäre Linke hingegen ist inhaltlich, methodisch und politisch- kulturell wenig mehr als ein Aufguss der gescheiterten „Aufstehen“- Initiative, die ironischerweise das innerparteiliche Hufeisen verhöhnt und gleichzeitig in der Bundestagsfraktion stabilisiert hat. Eigentlich macht mich dieser Aufruf und der Apparate-Intrigantenstadl nur noch müde. Gleichwohl hat die Geschichte gezeigt, dass solcher Unsinn auf Parteitagen mehrheitsfähig werden kann. Sollte das so sein, wäre ein weiterer, vielleicht letzter Sargnagel für die Linke eingeschlagen.

Die Krise der Partei Die LINKE ist unübersehbar. Ich persönlich kenne keine Statistik, wieviele Menschen aus welchen Gründen die Partei seit den verlorenen Bundestagswahlen verlassen haben. Aber es sind immerhin so viele, dass auf social media viele Menschen aus der Partei hilflose Parolen verbreiten, eine linke Partei würde aber dringend gebraucht. Religiöse Bekenntnisse wie diese, für die Karl Marx vermutlich nur beißenden Spott übrig gehabt hätte, sind üblicherweise der schärfste Ausdruck einer drohenden politischen Bedeutungslosigkeit sowie der letzte Übergang zum Stadium der Sekte. Wenn Beschwörungsformeln helfen würden, hätten wir die Bundestagswahlen gewonnen. Die Menschen aus dem jetzt erneut (nicht wirklich neu) festgestellten Potential von ca 18% Linken-Wähler*innen sehen das offensichtlich nicht so, zumindest wesentlich differenzierter. Ein Blick auf das Berliner Wahlergebnis legt den Schluss nahe, dass das „Potential“ zu großen Teilen eine Bundestagsfraktion, wie wir sie in den vergangenen 4 Jahren hatten, für entbehrlich hält. Während das selbe „Potential“ der Landespartei das fast gleiche Ergebnis in absoluten Stimmen zur Abgeordnetenhaus-Wahl spendiert, bei den Kommunalwahlen in einigen Bezirken sogar leicht bessere, als 5 Jahre zuvor – dass wohlgemerkt am selben Tag. Das mag ein Hinweis sein, dass auch links-denkende, links-fühlende oder sonst irgendwie links-affine Menschen, Parteien wählen wenn diese eine glaubwürdige Funktion für sie in und für die Gesellschaft erfüllen können.

Ich habe mich als Direktkandidat für die Bundestagswahlen im Bezirk Pankow nach der krachenden Niederlage bislang gescheut in die öffentliche Debatte zur Krise der Partei zu begeben. Das Ausmaß der (auch) persönlichen Niederlage war zu groß, als dass ich mich getraut hätte, in einem anderen Rahmen zu sprechen, als in meinem Bezirksverband und im Kreise engster politischer Freunde. Ich habe mich intensiv mit den Zahlen, Wahlauswertungen, meiner eigenen Hybris, meinen eigenen Wahlkampffehlern und des rapiden Niedergangs meiner eigenen politischen Reputation in der Partei auseinandergesetzt. Währenddessen, mit meinen Zweifeln befasst, nahm ich zur Kenntnis, dass zumindest die Mehrheit der neuen Bundestagsfraktion keinen Anlass zur Selbstkritik, zur Änderung ihres Handelns sah. Die alte Fraktionspitze wurde bestätigt, die Wahlniederlage zum „Problem- anderer- Leute-Feld“ (vgl. Douglas Adams: Per Anhalter durch die Galaxis) erklärt und ein paar wenige dürre Floskeln zur Rückbesinnung auf den „Markenkern soziale Gerechtigkeit“ aufgeschrieben. Das an sich ist schon ein bemerkenswerter Vorgang, der doch nur eins nach innen und außen ausstrahlt: Das alte und neu Personal ist im Zweifel lieber Chef in einer Sekte, als „nur einfaches“ Mitglied in einer gesellschaftlich einflussreichen Partei. Das Mandat wird zur Beute.
Anders vermag ich mir nicht zu erklären, dass nicht einmal nach der Bundestagswahl, in der neuen Bundestagsfraktion (die in großen Teilen identisch mit der alten ist) das Desaster rund um die Enthaltung der Linken zur Ortskräfte-Evakuierung aus Afghanistan diskutiert wurde. An welcher Stelle wurde vor der Fraktionsvorstandswahl die Verantwortung der Spitzenkandidatinnen für das kommunikative Versagen in dieser politisch so entscheidenden Frage thematisiert? Was war über das Beschwören des vermeintlichen „Markenkerns“ (schreckliches Wort als Ersatz für politische Strategie und Programm) die Idee, mit der diese Bundestagsfraktion die nächste Bundestagswahl erfolgreicher gestalten könnte? Und das war gewissermaßen nur das Vorspiel zur Auslösung der Selbstzerstörungssequenz in der Linken, die durch den russischen Überfall auf die Ukraine auf die Tagesordnung des Erfurter Parteitages gesetzt wurde. Die Unfähgigkeit mit dieser neuen Situation, die nicht nur die Putin-Freunde, sondern auch die Putin-Kritiker, SPD, große Teile der Grünen, selbst viele NATO-Funktionäre überrascht hat, was Aussmaß und Rücksichtslosigkeit der Aggression angeht, einigermaßen politisch glaubwürdig umzugehen, hat ja nachträglich die ehemaligen Linken-Wählerinnen bestätigt. Hätte das Hufeisen die politische Kultur des inhaltslosen Formelkompromisses nicht zur höchsten Kunstform innerparteilicher Erstarrung erhoben, wäre möglicherweise -die Bereitschaft zu personellen Konsequenzen- vorausgesetzt, ein paar politische Klärungen möglich gewesen. Paul Schäfer, Konstanze Kriese, Wulf Gallert u.a. haben dazu inhaltliche Vorschläge unterbreitet. Leider brachte der Parteivorstand in seiner Mehrheit den Mut zur Klärung nicht auf.

Schlimmer noch, alle Versuche, wie z.B. von Susanne Hennig-Wellsow vor ihrem Rücktritt und einigen wenigen Anderen, die Fragen zu diskutieren, wie es zu dieser Wahlniederlage, diesem Verlust an politischer Glaubwürdigkeit kommen konnte, wurden verschleppt und blockiert. Genauso wie der Versuch über das wohlfeile und folgenlose Bekenntnis zur Verurteilung des russischen Angriffkrieges hinaus zumindest einen politisch glaubwürdigen Umgang zu diskutieren. Der Gestus, „keine Fehlerdiskussion“, „Einheit vor Klarheit“, betonierte in der Bundestagsfraktion das Hufeisen „light“.
Gerechterweise muss aber gesagt werden -und das ist leider überaus unerfreulich- war aber eben die Angst im Parteivorstand und da nicht nur von den Freund*innen des Hufeisens, sondern auch von Janine Wissler, Jörg Schindler und Teilen der „Bewegungslinken“ vor allzu viel politischer Klärung vorherrschend. An die Stelle des Aufbruchs, der Aufklärung und politischen Erneuerung traten Durchhalteparolen, Bekenntnisse dass wir schon eine tolles Wahlprogramm hatten und die Medien (insbesondere „Der Spiegel) eine Kampagne zur Zerstörung der Partei machen würden. Es sind immer die anderen schuld. Manchmal mag das stimmen, aber es rettet einen nicht. Der eigene Anteil an der Unfähigkeit zur Klärung, Selbstreflektion und Korrektur – der Umgang mit den eigenen Fehler sind das Spannende.

Gleichwohl gab es eine Reihe, wie ich finde, kluger und politisch interessanter Beiträge uns Initiativen, die das Potential hätten, den ehemaligen Linken-Wähler*innen und dem „Potential“ zu signalisieren, dass die Linke einen Gebrauchswert als Bundespartei für sie und die Gesellschaft haben könnte. ( https://derlinkeratschlag.de/debatte , www.inititiative-solidarische-linke.de , ) Dafür bräuchte es aber die in diesen Texten und Intitiativen angesprochenen inhaltlichen und strategischen Erneuerungen und das Personal, dass sie trägt. Ich befürchte nur, dass der Prozess in der Minderheit beginnt und die Chance auf eine Mehrheit noch weit entfernt ist.

Derweil treten Menschen aus, die als Refromerinnen, Erneuererinnen den Weg von der autoritären Staatspartei SED zur demokratisch-sozialistischen PDS im demokratischen Parteiensystem der Bundesrepublik aktiv, inhaltlich und strukturell geprägt haben. Sie haben nicht wenige schwere politische Krisen der Linken insgesamt und der parteipolitisch organisierten im Besonderen überstanden. Über die notwendige Geschichtsdiskussion Anfang bis über die Mitte der Neunzigerjahre, die Debatte zu Partei, Bewegung und das Verhältnis zum parlamentarischen System in der Bundesrepublik, Opponieren, Tolerieren und Koalieren – also die Regierungsfrage, verging das erste Jahrzehnt der PDS mit viel Debatte und deutlich mehr Mitgliederverlusten als Gewinnen. So schmerzhaft das damals war. Dieser Prozess war notwendig, er begann aus einer Minderheitsposition und ohne diesen Prozess hätte die damalige PDS wahrscheinlich keine drei Jahre überlebt.

Diese Mitglieder haben die Niederlage bei der Bundestagswahl 2002 und den anschließenden Geraer Parteitag er- und überlebt. Nicht wenige haben sich damals die Frage gestellt ob es angesichts der fürchterlichen politischen Kultur, die in Gera gewann, weiter Sinn macht in und für die Partei zu kämpfen. Mit der Rückkehr von Lothar Bisky, der Diskussion um Strategie und Funktion der PDS, dem Potsdamer Parteitagsbeschluß mit dem berühmten „strategischen Dreieck“ hat die Partei sich wieder einem gesellschaftlichen Gebrauchswert verpflichtet.
Die Fusion mit der WASG, die das Versprechen einer bundesweiten Partei, die stabil über 5% kommt, beinhaltete, war mit vielen politischen, politisch-kulturellen und organisationspolitischen Zumutungen und Demütigungen einhergegangen. Es verging keine Woche, ohne das Oskar Lafontaine die PDS-Genossinnen examinierte, was der einzig wahre und richtige (sozialdemokratische) Weg sei. Die roten Haltelinien wurden erfunden, die für alle gelten sollten, es sei denn Oskar oder seine Getreuen beschlossen, sie zu überschreiten. Und dennoch konnten Oskar Lafontaine oder Sahra Wagenknecht die Parteitage für ihre reaktionären Positionen zur Flüchtlings- und Migrationspolitik gewinnen. Aber nicht inhaltliche Klärung, sondern die Apparate-Logik prinzipienloser Personen-Bündnisse, bestimmten die Bewegungsformen der Partei.

Wenn Mitglieder, die über 30 Jahre diese wechselhafte Geschichte der Partei ertragen und letztlich auch getragen haben, jetzt austreten ist das für mich persönlich ausserordentlich schmerzhaft und traurig. Aber ich kann es verstehen.
Die Frage steht für Viele, mich eingeschlossen: Lohnt es noch einmal die Auseinandersetzung zu führen. Sind Aufwand und Nutzen, von kurzfristigen Erfolgsaussichten will ich gar nicht reden, noch in einem persönlich aushaltbaren Verhältnis?
Im Unterschied zu vielen Freundinnen und Genossinnen, die jetzt ausgetreten sind oder austreten, sehe ich auch noch einen Sinn (und oder bin noch nicht zu erschöpft) darin als demokratischer Sozialist auch für absehbare Zeit in der Minderheit in der Linken (Bundespartei) zu arbeiten. Noch. Allerdings habe ich auch das Glück mit meinen Positionen in meinem Bezirksverband in der Mehrheit zu sein. Aber nichts ist von Dauer. Es wird sich im Verlauf des nächsten halben Jahres entscheiden, ob die Partei die Linke zu einer erneuten Kraftanstrengung, einer intellektuell halbwegs redlichen inhaltlichen, strategischen und personellen Erneuerung fähig sein wird.

Die Themen, die ein künftiger Parteivorstand zu verhandeln und zu entscheiden hat sind eigentlich allen klar. Der Versuch wieder alles mit Appellen an die Einheit und Geschlossenheit der Partei in Formelkompromisse zu verschieben wäre tödlich. Es wäre erneut der Beweis, dass die Partei und ihre Funktionäre nur sich selbst wichtig sind. Dabei ist klar, dass es Positionen gibt, die miteinander nicht kompatibel sind. Nationalismus, Antisemitismus, Rassimus, Homophobie, Abschottung vor Flucht und Migration, Diskriminierung, das Gerede von Haupt- und Nebenwidersprüchen, Relativierung von Verletzung von Menschenrechten je nach dem wer Täter ist, die Diffamierung von Diversität und Gleichberechtigung als „Genderwahn“ oder „skurrile Minderheiten“ sind mit einem Sozialismusverständnis, dass sich der Erkämpfung der Menschnerechte, der Solidarität, Freiheit und Gleicheit verpflichtet fühlt auf Dauer unvereinbar. Der Spagat zwischen unvereinbaren Positionen wird die Partei auf Dauer unwählbar machen.
Deshalb bin ich der Überzeugung, dass der in Erfurt zu wählende neue Parteivorstand nur ein Übergangs-Vorstand sein kann, der nur eine Aufgabe hat: Zu klären was die inhaltliche und strategische Aufgabenstellung der Linken ist. Das ist aus meiner Sicht die notwendige Voraussetzung in einem nächsten Schritt neues Personal auf einer inhaltlichen Grundlage zu wählen und zu profilieren. Leider wird vor innerparteilichen Wahlen selten die Methode, die Herstellung von Vertrauen in politische Handlungsfähigkeit durch Verfahren, selten ernst genommen. Kaum bringen sich ein paar Menschen für Vorsitz, Geschäftsführung oder andere Funktionen ins Gespräch – oder es werden Namen gehandelt, spielen Inhalte kaum noch eine Rolle. Die Freundeskreise der Kandidierenden scharen sich Warlords gleich um das eigene Fähnlein auf social media.

Wenn ich denn wählen müsste, würde ich die Kandidatinnen und Kandidaten für Vorsitz, Geschäftsführung, aber auch alle anderen Kandidat*innen befragen: Welche Position habt ihr bei der verheerenden Enthaltungsentscheidung von Fraktion und PV bei der Abstimmung zur Evakuierung der Ortskräfte aud Afghanistan eingenommen? Denn aus meiner Sicht ist nur die Aufarbeitung dieses Vorgangs ein möglicher Garant dafür, dass so ein Desaster in Zukunft verhindert werden kann. Dieser Vorgang ist zudem symptomatisch für die sektiererische Selbstbezogenheit, in der innerparteiliche Hybris der gefühlten Prinzipienfestigkeit, die Sucht nach schlichter Alleinstellung, höher gewichtet wird, als Menschenrechte und Menschenleben.
Wer diese Abstimmungsentscheidung auch heute noch richtig findet, ist für mich nicht wählbar.
Ich würde zudem fragen, wie und in welchem Zeitraum der künftige Parteivorstand die inhaltlichen und strategischen Klärungen herbeiführen möchte. Wer darauf antwortet, unsere Programme seien schon die Besten, wir sollten damit die Ampel vor uns hertreiben- wer antwortet wir sollten uns auf Markenkerne und Alleinstellungsmerkmale konzentrieren, Campaigning und Organizing machen, würde ich nicht wählen. Das ist das oberflächliche Gerede bei dem Mitgliedergewinnung und Mitgliederpflege zu (nicht einmal revolutionärem) Attentismus führt als Politik-Ersatz.
Politik der Linken wird, wenn überhaupt aktuell nur auf Länder- und Kommunalebene gemacht. Dort haben wir an verschiedenen Stellen eine für die Menschen nachvollziehbare positive Funktion in und für die Gesellschaft. (Sofern wir nicht glauben, linke Politik bestünde daraus auf öffentlichen Plätzen auf Apfelsinenkisten zu steigen und mit Megafonen Leute anzuschreien, dass ihr Leben scheiße ist und sie es falsch leben). Auf Bundesebene haben wir solange keine positive, politisch nachvollziehbare Funktion für nicht einmal ein Viertel des „Potentials“, wie wir inhaltlich und strategisch im Spagat bewegungslos bleiben. Aber das ließe sich ja ändern.

Um mit einer Floskel zu enden, die selten wahrer war: „Ein Weiter-so darf es nicht geben“.

Hier gibts den Text zum herunterladen:

Weitere Texte:

Bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung erschienen u.a. “In der Pandemie nichts Neues” , “Mit weniger Freiheitsrechten wird staatliches Versagen bezahlt” , “Linke Anforderungen an Notlagenpolitik

Zum Thema Regieren in Berlin:

https://www.linksfraktion.berlin/themen/th/debattenbeitraege/diskussion-ueber-zehn-rot-rote-regierungsjahre/ und https://www.linksfraktion.berlin/themen/th/debattenbeitraege/anders-besser-regieren/

Zur Krise der Linken Frühjagr 2022:

https://www.links-bewegt.de/de/article/534.alles-beginnt-mit-einem-ersten-schritt.html